Mit Bauphysik zu energieeffizienten Gebäuden.
Warum sind Sie Baumeister geworden? Was hat Sie so besonders an diesem Beruf fasziniert?
Ich bin Baumeister geworden, weil mich schon als Kind Baustellen fasziniert haben und ich auch total gerne auf Baustellen gearbeitet habe. Mich fasziniert der Beruf, die Breite, die Vielfalt des Arbeitsfeldes, aber auch die Offenheit und die Bodenständigkeit des Berufes. Ich bin seit meinem 15. Lebensjahr im Baubereich tätig und ich habe das nie bereut. Ich habe immer viel bewegen können und es war immer eine spannende, abwechslungsreiche Zeit.
Wie sind Sie als Baumeister darauf gekommen, sich auf das Thema Bauphysik zu konzentrieren?
Ich bin Bauphysiker geworden, weil ich etwas für die Gesellschaft beitragen wollte: Klimaschutz et cetera. Und die Bauphysik ist da natürlich eine Schlüsselkomponente. In der Bauphysik geht es um Energieeffizienz und Nachhaltigkeit, vereinfacht gesagt um Wärme-, Feuchte- und Schallschutz. Das heißt, es geht darum, dass man sich innen wohlig warm oder kühl fühlt und dass der Schall nicht von außen nach innen eindringt. Dafür braucht es einen Baumeister, der das Ganze überblickt und der weiß, wie was ausgeführt wird auf der Baustelle. Er kennt jeden Handgriff, er kennt die Materialien und die Technologien und er hat ein Bild, wie es zum Schluss ausschauen soll.
Meinen Sie damit auch, dass die Bauphysik zur Energiewende beitragen kann?
Auf jeden Fall. Wir sind eines der großen Bauphysik-Büros in Österreich und wir sind Vorreiter bei energieeffizientem Bauen. Wir haben in Österreich das erste funktionierende, kostengünstige Passivhaus errichtet. Wir haben das dann weiterentwickelt. Wir haben die ersten Plus-Energie-Häuser errichtet und setzen jetzt die ersten Schritte für energieautarke Gebäude. Die Energiewende kann ja nur gelingen, wenn die erneuerbaren Energien ausgebaut werden und gleichzeitig die Energieeffizienz erhöht wird. Das Baugewerbe und die Gebäude sind da schon ein wahnsinniger Hebel. Wenn Gebäude und Siedlungen viel weniger Energie verbrauchen, müssen wir auch weniger Energie erzeugen. Vonseiten der Bauphysik sind wir schon relativ weit. Aber was noch Entwicklungspotenzial für die Zukunft hat, das ist die Haustechnik und der Energieverbrauch der Gebäudenutzung. Hinzu kommt, dass die Technologien immer weiter zusammenwachsen: Gebäude, die Energie erzeugen, die gespeichert werden muss oder z.B. an die Elektromobilität abgegeben wird. Auch das sind so Themen, die uns da beschäftigen.
Gerade im Bereich Energieeffizienz hat sich in den letzten Jahren ja eine gewaltige Dynamik entwickelt. Stichworte: Smart Buildings, Internet of Things, etc. Wie halten Sie mit diesen Entwicklungen Schritt?
Wir schauen, dass wir immer einen Schritt voraus sind, versuchen auch viele Pilotprojekte umzusetzen. Es ist alles viel dynamischer geworden und ich glaube, das Wichtigste ist die Zusammenarbeit, sowohl national als auch international. Wir schauen ständig, was spielt sich international ab? Was machen die anderen? Was können die? Da sehen wir, dass wir gerade hier in Österreich sehr weit voran sind in Sachen Energieeffizienz. So sind beispielsweise Chinesen nach Europa gekommen und haben geschaut, wer kann so was, haben unsere Staatspreise gesehen und so haben wir das erste Passivhaus in China gebaut.
Referenzprojekte
Hat sich dadurch auch die Ausbildung des Baumeisters verändert?
Die Ausbildung des Baumeisters hat sich natürlich verändert, sich der Zeit angepasst. Vor 50 Jahren hat es den Beruf des Bauphysikers noch nicht einmal gegeben. Und jetzt ist die Bauphysik fixer Bestandteil der Ausbildung des Baumeisters. Ich unterrichte viel und trage viel vor, weil mir wichtig ist, dass das Wissen, das wir uns aneignen, auch wieder zurückfließt. Im Prinzip so, wie der Baumeister das früher traditionell immer weitergegeben hat. Der Baumeister war immer sozusagen der Bogen über allem. Der Baumeister war dafür verantwortlich, dass aus den Ziegelsteinen eine Kathedrale wird, und heutzutage ist er verantwortlich, dass daraus ein Plus-Energie-Gebäude wird, das auch funktioniert.
Wie ordnen Sie das Image des Baumeisters in der Öffentlichkeit ein?
Das Problem des Baumeisters ist, dass man seine Leistung oft nicht sieht. Man sieht das Gebäude von außen, aber man sieht nicht die Leute, die dahinterstehen: den Baumeister und die Handwerker, die es errichtet haben und z.B. die Energieeffizienz erst möglich machen. Das geht leider oft unter auf den ersten Blick. Das ist wie Hausarbeit oder gutes Management: Man sieht es erst dann, wenn es nicht funktioniert. Aber im Grunde ist die Planung und natürlich auch die Errichtung eines Gebäudes ein totales Teamspiel wie beim Fußball. Das gewinnt man nur, wenn alle zusammenspielen. Es muss der Architekt zusammenspielen mit dem Baumeister und mit den Planern. Und je besser die zusammenspielen, desto besser gelingt das Gebäude.
Welche Fähigkeiten muss ein Baumeister heutzutage mitbringen, besonders vor dem Hintergrund der Digitalisierung am Bau?
Ich glaube, die wichtigste Fähigkeit eines Baumeisters ist es, offen zu sein. Heute ist die Digitalisierung das große Thema, in 20, 30 Jahren gibt es wieder andere Herausforderungen. Deswegen finde ich, dass die Offenheit das Wichtigste ist. Wichtig für den Baumeister ist auch, dass er sich die Breite und Vielfalt erhält, dass der Baumeister nicht nur mit Baustelle verbunden wird, sondern auch mit Klimaschutz und dem Beitrag, den er dazu leistet.
Warum braucht es in Zukunft noch Baumeister?
Im Handwerk hat sich viel verändert, vieles ist industrialisiert worden, vieles einfacher geworden. Aber es sind auch viele Dinge dazugekommen. Es ist dynamischer geworden und da ist es wichtig, dass es einen gibt, der den Bogen darüber spannt. Und das ist natürlich der Baumeister.
Stichwort Nachwuchs: Hat das Gewerbe des Baumeisters ein Nachwuchsproblem oder wird es eines bekommen?
Ich glaube nicht. Baumeister ist einer der spannendsten Berufe, es kommt immer etwas Neues und es ist ein total sinnstiftender Beruf. Wir können wirklich etwas beitragen für die Gesellschaft, für den Klimaschutz et cetera. Er wird immer gebraucht und er liefert einen wichtigen Beitrag für unsere Gesellschaft.
Ihr persönlicher Wunsch für die Zukunft?
Ich bin Vater von fünf Kindern und finde es wichtig, dass wir jetzt beginnen, energieeffiziente und energieautarke Gebäude zu bauen. Für unsere Zukunft und die Zukunft unserer Kinder. Und das Schöne an unserem Beruf ist, dass wir dazu etwas beitragen können.
Werdegang
1987
Abschluss Universitätslehrgang Exportkaufleute, WU Wien
1992
Abschluss Hochschullehrgang Management von Bauprojekten, TU Wien
1994
Abschluss Studienrichtung Bauingenieurwesen, TU Wien
1994 - 1996
Bauleitung Dipl.-Ing. Hugo Durst KG
1997
Gründung der Schöberl & Pöll, Baumeisterprüfung, Ziviltechnikprüfung
Umfangreiche Vortragstätigkeit zum Thema Passivhaus, Passivhaus-Baukosten und Passivhaus-Detaillösungen, Ergebnisse realisierter Passivhaus-Projekte, Energieausweis und höchstenergieeffizientes Bauen
26 abgeschlossene und laufende Forschungsprojekte zum Thema Passivhaus und Plus-Energiehäuser
Über 2500 Wohneinheiten - Abgeschlossene und laufende Planungen und Consulting-Leistungen für mehrgeschoßige Passivhäuser